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Beate Geise ist seit zehn Jahren im “Von Mensch zu Mensch”-Team und beschreibt den Arbeitsalltag in der Redaktion

Sie sind am Ende. Hilflos, verzweifelt. Es ist ihnen peinlich, Fremde um Hilfe bitten zu müssen. Weil sie nicht mehr weiterwissen in ihrer Not. Dann greifen sie zum Hörer. Oder schreiben eine Mail oder einen Brief an die Redaktion “Von Mensch zu Mensch”. So erfahren wir, dass die Mutter mit vier Kindern nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll. Alleingelassen vom Mann und von der Gesellschaft nicht wahrgenommen, leben Menschen wie sie zurückgezogen in ihren vier Wänden, die meistens nicht mehr bieten als ein Dach über dem Kopf. Keine Gemütlichkeit, kein anständiges Bett, der Fußboden ist abgenutzt, schief hängende Schranktüren, keine Lampen. Es gibt weder einen Schreibtisch noch vernünftige Kleidung für die Kinder. Eine ungewollte Verwahrlosung, weil das Geld einfach zu knapp ist.

Wir hören von einem Sohn, der mit zwölf Jahren missbraucht wurde und trotz Therapien immer noch einnässt. Diese Mutter braucht eine neue Matratze für ihr Kind, aber sie hat kein Geld dafür. Wir hören über Jugendhilfe-Mitarbeitern von Kindern, die keine Hilfe von ihren Eltern erwarten können, die sich selbst überlassen sind – bei den Hausaufgaben, beim Essen zubereiten, beim Zubettgehen. Es gibt kein Lächeln, kein Lob, keine Zuwendung. Vater und Mutter sind mit sich selbst beschäftigt und haben oft keine Kraft oder auch keine Lust, sich mit den Heranwachsenden zu befassen. Ein Streetworker erzählt uns, dass Kinder morgens kalte Pommes mit Ketchup vom Vorabend zum Frühstück bekommen, sonst nichts.

Wir erfahren von Müttern mit schwerst behinderten Kindern, die sich – vom Vater verlassen – jeden Tag liebevoll um die Pflege kümmern. Die mit ihren Kindern häufig zum Arzt und zu Therapien müssen und dringend ein behindertengerechtes Auto brauchen. Wir hören von Vätern, die verzweifelt nach einer Lösung suchen, um ihrer Familie wieder eine Perspektive bieten zu können. Sozialarbeiter schreiben uns und bitten um die Unterstützung einer mit Krebs belasteten Familie – um ein paar Tage Auszeit, Ablenkung vom Alltag.

Eine alte Dame ruft uns an, sie hat so kaputte Beine, dass sie fast den ganzen Tag im Sessel verbringt. Sie kann nicht alleine aufstehen und bittet uns um Hilfe für einen Aufstehsessel, denn die Krankenkasse übernimmt die Kosten nicht. Sie ist aufgeregt und weint, sodass ihre Stimme sich überschlägt und wir kaum verstehen können, was ihr Anliegen ist. Wir hören von einer Seniorin, die auf einer verschimmelten Matratze monatelang nächtigt, bis die Betreuerin aufmerksam wird und uns verständigt.

Oft sitzen wir zusammen im Team und beratschlagen, wie wir am besten und nachhaltig Hilfe leisten können. Manchmal reichen 100 Euro, manchmal braucht ein Hilfesuchender viel mehr Geld und zudem noch seelische Unterstützung. Auch bei uns fließen Tränen, wenn wir erfahren, was Menschen in unserer schönen Stadt täglich erdulden müssen. Wie Kinder und Jugendliche leiden. Wie Erwachsene mit ihrer kleinen Rente kaum klarkommen und sich nichts leisten können, was ihr Leben erleichtern könnte. So viel Elend mitten unter uns. Und doch sind wir glücklich, hier arbeiten zu dürfen. Jeden Abend, wenn wir nach Hause gehen, haben wir etwas Gutes getan. Haben Freude erlebt und tiefe Dankbarkeit, weil wir helfen können. Das ist es, was unseren Job ausmacht. 

(von Beate Geise, veröffentlicht am 20.01.2018 auf www.abendblatt.de)

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